AL – Leserbriefe

Moritz Pfeifer, 3. September 2022

War also berichtigt
Hätte Olaf Scholz mitgemacht bei einem Wahl-O-Mat zur Bundestagswahl 2021 mit Fragen wie „Soll die BRD der NATO beitreten? Soll die BRD die Mehrwertsteuer der Schweiz anheben? Sollen Menschen nackt baden dürfen?“ Vermutlich nicht.

Warum haben die anderen Kandidierenden der Tübinger OB-Wahl eigentlich keinen Anstoß ge-nommen an den teils ähnlich ha-nebüchenen Fragen des Tübinger Kandidat-O-Maten? Entweder haben sie es nicht bemerkt, was ihre fachliche Eignung für das Amt infrage stellt, oder sie haben mit ihrer harschen Kritik an Palmer, der die Fragen anders als sie nicht einfach abgenickt hat, bewusst lieber skandalisiert. Dann stellt sich die Frage, ob das der neue Politikstil ist, mit dem so viel geworben wird.

Die Landeszentrale für Politische Bildung hingegen hat nach Überprüfung selbstkritisch eingeräumt, dass „eine große Anzahl der Thesen rechtlich nicht zulässig, sachlich falsch, kommunalpo-litisch bereits erledigt oder nicht sinnvoll war“ oder „im Vergleich zu ihrer kommunalpolitischen Bedeutung (…) zu stark repräsentiert waren“. Manche These wurde ganz gestrichen zur Wahrung der Überparteilichkeit (sprich: sie waren tendenziös). Palmers Kritik war also berechtigt.

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Harald Kersten am 3. September 2022:

Gut so
Der Kandidat-O-Mat kommt doch. Der Grund für die Überarbeitung war allerdings nicht die Kritik von Palmer. Die war nur der Anlass für die „grundlegende Überprüfung“. Das Ergebnis entsprach dann aber durchaus völlig seiner Kritik. „Eine große Anzahl von Thesen“ waren „rechtlich nicht zulässig, sachlich falsch, kommunalpolitisch bereits erledigt oder nicht sinnvoll“ und „stichhaltige Kritikpunkte“, so die LpB, könne sie „nicht einfach außer acht lassen“. Auch das Tagblatt hatte Kritik geäußert, aber erst nach dem Rückzug. Von dem war es nicht verständigt worden. Das musste die LpB auch nicht, das Tagblatt hatte ja nur Infos für die jugendlichen Macher des Kandidat-O-Maten geliefert. Aber was soll’s. das Ganze war ohnehin nur ein Sturm im Wasserglas, inklusive der Skandalisierung des Rückzugs durch die OB-Kandidatinnen Baumgärtner und Geisel. Über 90 % der Nutzer eines Wahl-O-Maten haben schon vorher ihre Wahlentscheidung getroffen. Die Nutzng ist nur ein spielerischer Entscheidungstest (https://www.bpb.de/themen/wahl-o-mat/177432/die-wirkung-des-wahl-o-mat/). Und das wissen die beiden Politikwissenschaftlerinnen natürlich auch.