Klimaschutzoffensive

Die Stellungnahme von Jonas Kübler am 22. Oktober 2020 im Gemeinderat

Ein paar Vorbemerkungen: Eigentlich hätten wir das vorgelegte Programm heute beschließen sollen. Leider hat am Montag die Sitzungstechnik versagt, so dass eine Befassung im Ausschuss nicht möglich war. Deshalb wird die Entscheidung über Anträge und der Beschluss um eine Sitzungsrunde geschoben.

Kurz vor der Ausschussitzung (Montag) sind einige Änderungsanträge eingegangen. Teilweise wird dort die fehlende Diskussionsmöglichkeit im Gremium beanstandet und moniert, dass man sich kein gutes Bild machen konnte. Dieser Darstellung möchten wir entgegentreten. Das Programm wurde mit vielen externen Expert*innen und den Stellungnahmen deutlich verbessert. Als Ratsmitglied gab es ausreichend Raum sich zu informieren und zu diskutieren. 

Dass die Änderungsanträge am Vorabend der für Montag angesetzen Sitzung eingereicht wurden ist bezeichnent. Das aktualisierte Program und damit der Aufruf Änderungsvorschläge einzubringen lag bereits seit Anfang September vor. Das Einreichen von so grundsätzlichen Änderungsvorschlägen (Tübinger Liste) am Vorabend können wir nicht als konstruktiven Beitrag werten.

Nun zur eigentlichen Stellungnahme:

Konsequenter Klimaschutz ist eine der zentralen politischen Aufgaben unserer Zeit. Wir sind überzeugt, dass sich konsequentes Handeln jetzt und vor Ort auszahlt. Ein Verschieben des Problems ist nicht akzeptabel. 

Letztes Jahr im Sommer wurde, angestoßen durch die junge Klimabewegung FFF, in vielen Städten ein „Klimanotstand“ ausgerufen, um die Wichtigkeit des Klimaschutzes zu unterstreichen. In Tübingen haben wir uns für einen anderen Weg entschieden und im Juli 2019 hat der Gemeinderat die Verwaltung einstimmig beauftragt ein Programm zu erarbeiten mit dem Ziel die energiebedingten CO2 Emissionen in Tübingen bis 2030 auf Null zu bringen.  

Mit Blick auf das nun vorliegende Programm wird klar: Dem Ziel Tübingen Klimaneutral 2030 kann man nicht mit einzelnen Maßnahmen gerecht werden. Das Konzept oder Arbeitsprogramm, welches uns nun vorliegt, gibt hingegen eine klar Vorstellung welche Maßnahmen in den nächsten Jahren zu ergreifen sind. 

Ich möchte auf ein paar zentrale Punkte kurz eingehen:

Überraschend war für viele, dass ein Großteil der Emissionen im Wärmebereich stattfindet. Es ist klar, dass wir im Neubau hohe Ansprüche an die Gebäude stellen werden müssen und bei der Wärmeversorgung Quartierslösungen erarbeiten müssen an denen sich alle Bauherren und -Frauen beteiligen. Eine noch größere Herausforderung wird jedoch die Wärmewende im Bestand. Ein Wärmeplan, welcher in Zukungt sogar gesetzlich vorgeschrieben wird, muss jetzt so schnell wie möglich erarbeitet werden. Auch hier gilt es Lösungen für das gesamte Quartier zu erarbeiten.

Beim Strom ist absehbar, dass wir durch die Sektorenkopplung einen deutlich erhöhten Bedarf haben werden. Eine schneller Ausbau der Erzeugungskapazitäten ist deshalb unerslässlich. Das unterstrich jüngst auch die Studie des Wuppertal Insituts. Hier haben wir die Stadtwerke als starke Partnerin. Besonders Enagement müssen wir weiterhin auf die Erschliesung versiegelter Flächen legen. Es ist bedauerlich, dass es mit einer CDU im Landtag noch nicht mal möglich ist eine PV Pflicht auf Wohnungsneubauten zu beschließen. Was wir allerdings wirklich dringend brauchen ist die Aktivierung bereits versiegelter Flächen zur energetischen Nutzung, sprich eine weitestgehende PV Pflicht auch im Bestand.

Von den drei Sektoren Wärme, Strom und Mobilität stehen wir in Tübingen beim letzten Punkt bereits am besten da. Um auch hier die weiterzukommen müssen wir die bestehende Verteilung des Verkehrsraum ändern und umweltfreundliche Fortbewegungsarten priorisieren. Ein zentraler Punkt, für unsere attraktive Stadt, wird es sein die Pendlerströme aus dem Umland in den ÖPNV und aufs Rad zu bekommen. Nach der jüngsten Präsentation zu den RSB Alternativen letzte Woche zeichnet sich für uns ab, dass es für Tübingen absehbar keine Alternativen zur Regionalstadtbahn Innenstadtstrecke gibt, welche diesen Umstieg leisten können. 

Die Regionalstadtbahn ist eine Maßnahme die per se für sozialen Ausgleich sorgt, da sie es Menschen, ohne finanzielle Ressourcen für Führerschein und Auto, ermöglicht schnell vom Umland zu Zielen innerhalb Tübingens zu kommen. Es wird allerdings auch Maßnahmen geben müssen, welche Investitionen erfordern. Dies ist vor allem im Bereich Wohnen der Fall. Wir müssen darauf achten die Lasten gleichmäßig zu verteilen und finanzschwache Haushalte unterstützen wenn eine Umsetzung von Maßnahmen ansonsten nicht leistbar ist. Darüber hinaus müssen wir den Zugang zu Fördermitteln so gestalten werden, dass ein Abrufen der Mittel nicht auf priviligierte Haushalte beschränkt bleibt. Auch hier sollte die Verwaltung aufsuchend auf die Menschen zugehen. 

Die soziale Flankierung des Programmes wird uns bei vielen Maßnahmen begleiten, deshalb wurde das Programm extra explizit um diese Querschnittsaufgabe ergänzt.

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Bedanken, die an der Erstellung dieses Programms mitgearbeitet haben. Neben der intensiven Arbeit der Verwaltung, vor allem der Stabstelle für Umwelt und Klimaschutz, möchte ich mich auch für die vielen Stellungnahmen und Anregungen bedanken, welche ehrenamtlich aus der Bürgerschaft, von Verbänden und Institutionen kamen. Die überarbeitet Version hat noch einmal deutlich an Qualität gewonnen.

Dennoch bleiben selbstverständlich Unsicherheiten auf dem Weg bis 2030. Diese Unsicherheiten sind zum einen technologischer Natur, zum Beispiel in Punkto Synthesegas oder Wasserstoff. Zum anderen gibt es Unsicherheiten in den politischen und rechtilichen Rahmenbedingungen (Querschnittsaufgabe Modelkommune).

 Klar ist, wenn wir warten möchten bis wir den Plan genau ausbuchstabieren können, dann ist es zu spät zum Handeln. 

Deshalb erwarten wir, dass die Verwaltung die Punkte des Programms, welche jetzt schon möglich sind, schnell zur Umsetzung bringt oder die Beschlussfassung im entsprechenden Gremium vorbereitet.

Zur weiteren Beteiligung: Wir finden eine Befragung mit der BürgerApp über drei Monate sinnvoll. So fördern wir die Auseinandersetzung der Bevölkerung mit der Thematik und weitere Anregungen könnnen in der Umsetzung integriert werden. Deshalb unterstützen wir den Vorschlag der Verwaltung. Einen Bürgernentscheid halten wir für nicht geeignet.

Das Engagement der Bürgerschaft ist neben den politischen Weichenstellungen nach wie vor ein wichtiger Beitrag. Jede*r Einzelne muss sich fragen welche Änderungen im eigenen Alltag umsetzbar sind. Dies betrifft neben den Bereichen Wärme, Strom und Verkehr die Bereiche Ernährung und Konsum im Allgemeinen. Da wir hier als Kommune nur sehr eingeschränkt Einfluss nehmen können, möchten wir die Wichtigkeit dennoch hier unterstreichen und an die Verantwortung des*der Einzelnen appelieren.

Im Juli letzen Jahres wurde die Verwaltung einstimmig beauftragt dieses Konzept zu erarbeiten. Wir  hoffen, dass wir es in der nächsten Sitzungsrunde mit großer Mehrheit beschließen. Dies wäre eine Zäsur und der Einstieg in die Umsetzung ein echter Meilenstein im kommunalen Klimaschutz und würde ein klares Signal senden. 

In der Zukunft werden wir einige der Punkte im Programm hier nicht unisono verabschieden und es wird weiterhin politische Auseinandersetzungen geben. Wir sind aber dennoch sehr zuversichtlich, dass wir zusammen mit der engagierten Tübinger Bevölkerung für alle Maßnahmen die nötigen Mehrheiten finden werden.

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