„Sichere Häfen“

Annette Schmidt und Beate Kolb im Gemeinderat vom 2. Mai 2019

Es steht außer Frage: Niemand hier im Raum möchte, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken und ich gehe davon aus, dass alle mir zustimmen, wenn ich sage, diese Menschen, die sich aus purer Verzweiflung über ihre wirtschaftliche oder politische Lage, der Gefahr einer solchen Überfahrt aussetzen, müssen gerettet werden.

Unstimmigkeit besteht allerdings darüber, was nach der Rettung mit diesen Menschen geschehen soll.
Städte die sich zum „Sicheren Hafen“ erklären, möchten, dass diese Menschen in Europa an Land gehen können und anschließend nach einem gerechten Schlüsselauf die Länder Europas verteilt werden. Dort sollen die Geretteten einen Antrag auf Asyl stellen, wird dieser positiv beschieden oder werden sie zumindest geduldet, können sie bleiben. Wird dieser Antrag auf Asyl abgelehnt, müssen sie in ihre Heimatländer zurückkehren.

Was die Städte, die sich zum „Sicheren Hafen“ erklären auf keinen Fall unterstützen wollen, ist, dass die aus Seenot geretteten Menschen ohne ein rechtsstaatliches Verfahren beispielsweise nach Libyen zurückgeschickt werden. In Libyen herrscht Bürgerkrieg, Flüchtlinge werden in Lagern gehalten, die von EU-Beobachtern als Konzentrationslager bezeichnet werden, hunderte von Personen werden in einem Raum gehalten, die Menschen haben nicht einmal genug Platz sich hinzulegen, sie müssen im Schichtwechsel schlafen, die Menschen hungern, es gibt keine ärztliche Versorgung. Das ist unmenschlich, das wollen wir niemandem zumuten.

Was nun den Zusatzantrag des OB angeht, der sich auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 28.06.2018 bezieht, so werden hier viele Aspekte genannt, die wir als Grüne Fraktion teilen: z.B. steht unter Punkt 8 sinngemäß, dass die Partnerschaft zwischen Europa und Afrika intensiviert werden muss, dass eine erhöhte Entwicklungshilfe notwendig ist, dass private Investitionen in Afrika bessert unterstützt werden sollen etc. So weit d’accord.

Was wir aber nicht unterstützen können und deshalb lehnen wir den Zusatzantrag ab, ist, die Einrichtung Zitat „regionaler Ausschiffungsplattformen“. Unter Ausschiffungsplattformen sind Lager gemeint, die in Nordafrika eingerichtet werden sollen und in denen die Seenotflüchtlinge untergebracht werden sollen. Dort soll ihnen das Verfahren gemacht werden und von dort sollen sie dann in ihre Länder zurückgeschickt werden. So wie wir die Situation in Ländern wie z.B. Libyen einschätzen, glauben wir nicht daran, dass in solchen Lagern wirklich die Prinzipien der Menschen- und Grundrechte angewandt werden, und die Menschen dort ein faires Verfahren bekommen, auch wenn diese Lager unter der Leitung des UNHCR stehen. Die angedachten Lager sollen einen Haftcharakter bekommen, die geplanten Schnellverfahren sind fehleranfällig und entsprechen nicht einem EU-Asylverfahren, das z.B. eine unabhängige Rechtsberatung gestattet. Bereits jetzt gibt es auf EU-Boden in Griechenland solche Lager d.h. Haftanstalten mit unmenschlichen Bedingungen und ohne Rechtsstaatlichkeit. Man mag sich daher nicht vorstellen, wie solche Lager in Nordafrika aussehen würden. Die EU darf sich nicht Diktatoren als Türsteher Europas bedienen, die Grenzen der EU dürfen nicht nach Afrika verlegt werden.

Wer das Sterben auf dem Mittelmeer beenden will, und das wollen wir vermutlich alle hier, der darf Menschen nicht in EU-Außenlager stecken, sondern muss dafür sorgen, dass verbindliche Aufnahmekontingente geschaffen werden. Mit unserem Beitritt zum Bündnis „Sicherer Hafen“ signalisiert die Stadt Tübingen, dass wir bereit sind, Verantwortung für Menschen in Not zu übernehmen. Wir stimmen dem Antrag daher zu, nicht aber dem Zusatzantrag des OBs.

 

 

 

 

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