Baugebot zur Wohnraumschaffung

Die Fraktion AL/Grüne möchte, dass geltendes Recht der Bundesrepublik Deutschland erstmals angewendet wird.

Deshalb formulierten wir in Abstimmung mit unserem Grünen-Abgeordneten Chris Kühn den Antrag zum Baugebot nach § 176 BauGB. Die genannten städtebaulichen Voraussetzungen und die wirtschaftliche Zumutbarkeit liegen unseres Erachtens in Tübingen oft vor. Deshalb ist es jetzt richtig, mit Hilfe der Prüfung jedes einzelnen Falles Baugebote dort, wo möglich, auch durchzusetzen.

 

Damit wollen wir drei Dinge gleichzeitig erreichen:
1.Sozial: Wir wollen die eklatante Not an Wohnungen in der Stadt mildern.
2.Ökologisch: Wir wollen so lange wie möglich vermeiden, die Stadt auf der Grünen Wiese zu erweitern.
3.Ökonomisch: Wir wollen vorhandene städtische Infrastruktur besser nutzen.

Unsere Fraktion verfolgt das gemeinsame Ziel, einen vernünftigen Ausgleich sich manchmal augenscheinlich widersprechender Anforderungen zu erreichen:  Den Belangen von Ökologie, Ökonomie und Sozialem.
Mit dem Instrument „Baugebot“ nach § 176 BauGB kann dieses „magische Dreieck“ der Politik gut dargestellt werden.

Das Baugebot ist sozial, nicht nur wegen des zu erwartenden „Sickereffekts“ durch frei werdende Wohnungen. Bauende, die Zuschüsse aus  Wohnraumprogrammen in Anspruch nehmen, können in den Baulücken lohnend sozialgebundenen Wohnraum schaffen. Wir werden darauf drängen, dass ein Anteil preisgebundenen Wohnraums entsteht. Die durch Steuermittel von der Allgemeinheit erreichte Bebaubarkeit privater Baulücken sorgt für deren überproportionale Wertsteigerung in Tübingen. Eigentum wird vom Grundgesetz aber nicht nur geschützt. Nach Artikel 14 verpflichtet es auch. Wohnen ist zur sozialen Frage geworden. Zum Nutzen Weniger und zum Schaden Vieler. Das darf so nicht sein. Der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags meint auf Anfrage von unserem Grünen Bundestagsabgeordneten Chris Kühn, „ein Baugebot setzt zunächst voraus, dass die alsbaldige Durchführung der anzuordnenden Maßnahme aus städtebaulichen Gründen erforderlich ist, wobei das Gesetz klarstellt, dass hierbei ein dringender Wohnbedarf der Bevölkerung Berücksichtigung finden kann (vgl. §175 Absatz 2BauGB)“.

Das Baugebot ist ökologischsinnvoll, denn die Stadt muss sonst auf alternativen Flächen auf der grünen Wiese bauen, was viel teurer und ökologisch falsch ist. Die Bebauung des „Saiben“ im Westen können wir mit Baugebot noch gute 10 Jahre aufschieben. Denn es gibt über 300 vorhandene, innerhalb kurzer Zeit bebaubare Baulücken in Tübingen. Platz für ungefähr 3000 Menschen!

Das Baugebot  ist ökonomisch sinnvollund nicht zum Schaden der Grundstückseigentümerinnen und Eigentümer. Denn das Baugebot muss für sie „objektiv wirtschaftlich zumutbar“ sein. Und es soll dadurch die „vorhandene städtische Infrastruktur besser genutzt werden“, so der wissenschaftliche Dienst des Bundestags. Auch das ist ein wirtschaftlich vernünftiges Ziel.

Die Eigentümer haben leider oft kein Interesse am Bauen und lassen die mit Steuermitteln geschaffenen Baumöglichkeiten teilweise schon seit Jahrzehnten bei gleichzeitig hoher Wertsteigerung ungenutzt. Dieser Wertzuwachs ist natürlich durch die Entrichtung von Erschließungsbeiträgen nicht ausgeglichen.

Selbstverständlich wird jeder einzelne Fall geprüft. Wer nicht bauen will oder kann, aber an die Stadt verkauft, erhält für sein Grundstück den Verkehrswert entsprechend der aktuellen Richtwertkarte. Außerdem unterbreitet der Oberbürgermeister in seinem Anschreiben ein faires Angebot: „Wenn Sie ihr Grundstück an die Stadt verkaufen, können wir ihnen vertraglich zusichern, für den Fall, dass Sie einen Bauplatz benötigen, um für Angehörige zu bauen, innerhalb der nächsten 25 Jahre ein Erstzugriffsrecht auf städtische Grundstücke im Verkauf haben. Dies kann in den Kaufverträgen entsprechend abgesichert werden“. Von „Enteignung“ ist im Brief keine Rede. Der Gesetzgeber hat allerdings unter Beteiligung derjenigen politischen Gruppierungen, die jetzt laut gegen das Baugebot die Stimme erheben, als „ultimo Ratio“ auch die Enteignung mit Entschädigung vorgesehen. Für die größte private Brache in der Stadt, das Queck-Areal in der Gartenstraße, muss  zeitnah Baurecht geschaffen werden verbunden mit einer Bauverpflichtung. Es ist geeignet zur Bebauung mit der bewährten Tübinger Mischung aus gewerblicher Nutzung, Baugruppen, sozial gebundenen und  frei vermietbaren bzw. verkäuflichen Wohnung für mehrere hundert Menschen.  Wir wollen dazu im kommenden Planungsausschuss einen Sachstandsbericht.  Damit, und mit den Baulücken, müssen wir noch lange nicht auf die „Grüne Wiese“ ausweichen.

Für die Fraktion
Christoph Joachim

Link:  https://www.bundestag.de/blob/553352/e03df6fe0732192d51976822b7f0e541/wd-7-052-18-pdf-data.pdf

P.S.: Inzwischen unterstützt der Städtetag das Baugebot für Baulücken.

 

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