Wir haben für 2022 erreicht

Annette Schmidt – Gemeinderat Tübingen

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Palmer,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Soehlke,
sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Harsch,
liebe Kollegen und Kolleginnen des Gemeinderats,
sehr geehrte Gäste,

wir erleben zurzeit eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Krise, wie sie die meisten der heute hier Anwesenden noch nicht erlebt haben. 

So habe ich im Jahr 2021 meine HH-Rede begonnen und hätte mir nie vorstellen können, dass dieser Anfang ein Jahr später wieder zutrifft, ja, dass er eigentlich noch viel mehr zutrifft als im letzten Jahr. Die meisten Menschen erleben den Krieg in der Ukraine als noch viel bedrohlicher als die Corona-Krise. 

In der Rede von 2021 ging es dann weiter: 

Diese pandemiebedingte Krise – Pandemie kann durch Krieg in Europa ersetzt werden – geht natürlich auch am Tübinger Haushalt nicht vorbei, sondern bestimmt ihn sehr stark. Was heißt das für die Fraktion AL/ Grüne, wie gehen wir mit dieser Situation um? 

Und jetzt komme ich in die Gegenwart: 

Zuerst einmal akzeptieren wir den Tübinger HH, so wie ihn uns die Verwaltung vorgelegt hat weitgehend und bringen lediglich einige wenige gut begründete Korrekturen an. Die wichtigsten will ich kurz nennen: 

Ich fang mal mit der Kultur an – um zwei Dinge geht es uns hier besonders: 

Wir haben uns dafür eingesetzt, dass der Zuschuss für das Zimmertheater um 79 000 € erhöht wird. Das Zimmertheater befindet sich – auch pandemiebedingt – in einer schwierigen Finanzlage, die Löhne in dieser Branche sind extrem niedrig. Wir möchten damit unsere Anerkennung für die tolle Leistung dieses Theaters in schwierigen Zeiten ausdrücken. 

Außerdem haben wir wie im Jahr 2021 Mittel für die Belebung der Altstadt eingestellt, dieses Jahr sind es 50 000 €. Damit soll an den durchschlagenden Erfolg von Gönn Dir angeknüpft werden. 

Wir haben uns den Anträgen vieler Fraktionen auf die Unterstützung von PACT und des DAIs gerne angeschlossen, ebenso wie dem Antrag der Fraktion zur Konkretisierung der Idee eines Lern- und Dokumentationszentrums zum Nationalsozialismus.

Nun zu den gesellschaftspolitischen und sozialen Themen und zum Sport: 

Wir möchten, dass die Stadtverwaltung sich mit dem Thema Tariftreue auseinandersetzt und Vorschläge entwickelt, wie die Tariftreue bei den Vergaben eingehalten werden kann. Für eine juristische Unterstützung haben wir daher 25 000 € eingestellt. 

In engem Zusammenhang mit diesem Thema haben wir weitere 7,5 Stellen im Reinigungsbereich bei der Stadt geschaffen, um den Eigenreinigungsanteil auf 60% zu erhöhen. Diese Personen, die per se nicht viel verdienen, sind bei der Stadt finanziell besser gestellt als bei privaten Unternehmen. 

Wir haben den Antrag der SPD auf eine Aufstockung der Schulsozialarbeit gerne unterstützt, ebenso wie die zwei Stellen für das Integrationsmanagement, die wir wahrscheinlich dringend benötigen werden. Ich glaube dazu muss man nicht viel mehr sagen. 

Wir haben mit den anderen Fraktionen gemeinsam dem Antrag der Tübinger Liste auf eine halbe Stelle für das Programm Seniorenleben und Pflege in den HH genommen. Wir müssen uns auf eine alternde Gesellschaft einstellen, die Stärkung der Gesundheit von Senior*innen scheint uns ein wichtiges Thema, die Stelle ist außerdem auch ein konkreter Beitrag im Sinne des Gesunde—Städte—Konzepts.  

Es ist uns nicht gelungen, die Kolleg*innen von der Schaffung einer Stelle für einen Kinderbeauftragten zu überzeugen. Und das, obwohl am gleichen Tag in der Zeitung zu lesen war, dass das UN-Kinderhilfswerk UNICEF auch in Deutschland gravierende Defizite bei der Umsetzung der Kinderrecht sieht. Wir sind davon überzeugt, dass dieses Thema in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen wird und werden diesen Antrag im nächsten Jahr wieder einbringen. Vielleicht ist dann der Gemeinderat reif dafür. 

Erfolgreich waren wir hingegen bei der Schaffung einer ¼ Stelle für die Kinderbetreuung in den Sommerferien. Wir alle wissen, dass es für viele Eltern unmöglich ist, die langen Sommerferien zu überbücken und das dies ein wichtiger Baustein in der Betreuung sein kann. 

Ebenso haben wir die Entfristung von zwei Medientechnikerstellen beantragt, damit uns die sehr guten Mitarbeiter auf dieser Stelle nicht verloren gehen. 

Der sehr erfolgreiche 3-in-One Bewegungspark braucht eine Lärmschutzwand, ob wir das wollen oder nicht, es ist so. Bernd Gugel hat angeboten Spenden zu sammeln und da ist ja – wie wir alle wissen – der Erfolg garantiert. Die Stadt wird die Spenden matchen, wir haben uns dafür eingesetzt, dass dafür 40 000 € in den Haushalt eingestellt werden. Wir schlagen außerdem zwei Fliegen mit einer Klappe, denn wir bekommen dann auch noch eine dringend benötigte Graffiti-Wand. Dann macht das Projekt Lärmschutzwand ja fast sogar Sinn. 

Wir wollten gerne 200 000 € für einen inklusiven Spielplatz einstellen, der Betrag wurde uns auf 100 000 € gekürzt. Aber das ist ein Anfang. Für den neuen Spielplatz im Anlagenpark können nun auch inklusive Spielgeräte beschafft werden. 

Wir haben der vom Integrationsrat geforderten Stelle für eine Klient*innenberatung im Ausländeramt zugestimmt, ebenso wie der ½ Ombudsstelle. 100% glücklich bin ich nicht mit dieser Stelle, denn es entsteht ein bisschen der Eindruck, dass hier versucht wird ein Problem – nämlich Defizite in der Kommunikation und fehlende Transparenz in den Verwaltungsabläufen – mit einer zusätzlichen Stelle zu lösen, anstatt das Problem direkt anzugehen. Aber vielleicht gibt es im Moment auch keine andere Lösung und dann hat die Stelle hoffentlich ihren Sinn. 

Und nun zu den Themen Ökologie, Verkehr und Klimaschutz.

Wir haben 28 000 Euro als Anschubfinanzierung in den HH eingestellt, damit Teilauto in vier Teilorten 1,5 Jahre lang ein Teilauto subventionieren kann. Ohne das geht es leider nicht, aber wir hoffen, dass das Wirkung zeigt und die Teilortbewohner*innen dann dauerhaft auf Carsharing umsteigen und die Unterstützung nach 1,5 Jahren nicht mehr nötig sein wird. 

Vielleicht schafft der eine oder andere dann auch sein Auto ab, Parkplätze können dann entsiegelt werden und dort könnten Grünflächen entstehen, auch dafür haben wir Geld eingestellt. 

Dem barrierefreien Umbau von Bushaltestellen, von Herrn Schöning stark favorisiert, stimmen wir gerne zu. 

Gemeinsam mit allen – oder fast allen Fraktionen – haben wir 150 000 € für eine Untersuchung von Alternativen zur Regionalstadtbahn eingestellt. Auf Wunsch der Gegner der Innenstadtstrecke sollen hier die möglichen Potenziale der Schnellbusstrecken genauer untersucht werden. Unser Wunsch ist es, alternative Streckenführungen für die Regionalstadtbahn zu prüfen. 

20 000 € haben wir eingestellt für eine Kampagne zur Verkehrssicherheit im Radverkehr und für Fußgänger*innen. 

Wir bitten die Stadtverwaltung außerdem, die Verkehrsführung am neuen Parkhaus in den Raunswiesen noch einmal zu überarbeiten und eine kostengünstigere und weniger aufwändige Version zu entwickeln und haben daher die geplanten Ausgaben mit einem Sperrvermerk versehen.

Die Überdachung von Radschnellwegen mit Solarmodulen werden wir als Antrag zur Prüfung einbringen. 

Im Bereich Bauen haben wir 250 000 € für den Wegfall der KfW Förderung eingestellt. Wir sind uns darüber im Klaren, dass eine Kommune niemals in der Lage sein wird, dieses üppige Förderprogramm zu ersetzen. Wir sind uns auch darüber im Klaren, dass wir da der Stadtverwaltung ein Ei ins Nest gelegt haben – ein Ostergeschenk sozusagen – denn hier gerechte Kriterien zu entwickeln wird nicht einfach. Aber dennoch wird unser Geld hoffentlich dem einen oder anderen gemeinwohlorientierten Wohnbauprojekt helfen, die niedrigen Mieten zu sichern und trotzdem den effiziente Gebäudestandard zu erhalten. Und seit gestern sieht es ja gar nicht mehr so schlecht aus am Förderhimmel, es gibt ja inzwischen ein Nachfolgeprogramm, wenn auch nicht so gut ausgestattet wie das bisherige Programm. 

Insgesamt haben wir damit den Ergebnishaushalt um 500 000 € verschlechtert und den Investitionshaushalt um weitere 590 000 € belastet.

Ich finde, dass wir alle zusammen damit sehr bescheiden und umsichtig waren und unserer großen Verantwortung einerseits für die Finanzen der Stadt aber auch für die berechtigten Bedürfnisse ihrer Bürger*innen gezeigt haben. 

Wir finden es bedauerlich, dass die Tübinger Liste, die FDP und die Linke, also die drei Fraktionen, die die Grundsteuererhöhung des letzten Jahres wieder zurücknehmen wollten, nicht bei diesem Haushalt dabei sind. 

Natürlich kann man die Frage stellen, ob man in einer Zeit, in der auf die Bürger*innen außerordentlich viele Kosten und Ausgaben zukommen, wir als Stadt nicht einen Beitrag zur Reduzierung der Kosten leisten sollen, in dem man die Grundsteuer wieder senkt. Aber wenn man sich das genau anschaut, dann taugt dieses Instrument Grundsteuer nicht als sozialpolitisches Instrument. Denn eigentlich ist die Grundsteuer eine relativ gerechte Steuerform, Menschen in kleinen Wohnungen und in eher älteren Häusern zahlen wenig, Menschen in großen, neuen Häusern zahlen viel. Wir würden also den Personen, die ein großes Einkommen haben, viel zurückgeben, obwohl sie gar nicht unter dem allgemeinen Preisanstieg leiden, während Menschen, die sehr wohl unter diesem Preisanstieg leiden, nur sehr wenig zurückbekommen. Bei der 80 m² Mietwohnung in unserem Atbauhaus sind es z.B. 12 € im Jahr, die die Mieter*innen mehr in der Tasche hätten. Das ist wirklich nicht viel und kann nicht als sozialpolitische Tat verkauft werden. 

Wir sind daher davon überzeugt, dass die Grundsteuersenkung nicht das richtige Mittel ist, um soziale Härten abzufedern, da die falschen davon profitieren. Diese Mittel kann die Stadt sinnvoller in eine gute Sozialpolitik investieren, z.B. in das Intergrationsmanagement. 

Dennoch möchte ich mich bei allen Fraktion für die gute Zusammenarbeit bedanken. Aber natürlich geht unser Dank besonders an die SPD, die Fraktion und die CDU. Und mein ganz besonderer Dank geht an Christoph Lederle, der mit seiner ruhigen und ausgleichenden Art diese vier Abende super moderiert hat. 

Wir stimmen dem Haushalt zu und hoffen sehr darauf, dass sich die Anfänge dieser Rede im nächsten Jahr nicht mehr recyceln lassen. 

Vielen Dank

Kommentar verfassen

Artikel kommentieren


* Pflichtfeld

Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website einverstanden. Weiteres entnehmen Sie bitte der Datenschutzerklärung.

Verwandte Artikel