von Annette Schmidt
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir haben am Donnerstag, nach drei intensiven Sitzungen, die Haushaltsberatungen abgeschlossen. AL/Grüne, SPD, CDU und Tübinger Liste (teilweise) stimmen zu.
Alle Parteien haben den Ernst der Lage erkannt und sich mit Anträgen – im Vergleich zu den Vorjahren – deutlich zurückgehalten. Uns ist das ehrlich gesagt schwergefallen. Denn wir sind gut in der Stadt vernetzt und wissen, dass es eine Menge guter Idee und förderungswürdiger Projekte gibt, die jetzt leider nicht zum Zuge gekommen sind.
Aber ein paar Korrekturen haben wir doch an dem Haushalt angebracht, den uns die Verwaltung vorgelegt hat. Entweder sie sind auf unsere Initiative hin entstanden oder wir haben uns guten Ideen der Gemeinderatskolleg*innen angeschlossen.
Unsere Haushaltsanträge können drei Themenblöcken zugeordnet werden:
- Kinderbetreuung
- Digitalisierung
- Wohnraum
Hier sehen wir die größten Herausforderungen für unsere Stadt in den nächsten Jahren.
Kinderbetreuung
Im Bereich Kinderbetreuung möchten wir das System der Tageseltern stärken. Dazu setzen wir an vier verschiedenen Stellen an: zum einen wollen wir Tageseltern, die neu mit dieser Tätigkeit beginnen, mit einem Ausstattungszuschuss unterstützen. Sie können das Geld in Kinderstühle, Kinderwagen etc. investieren. Das motiviert vielleicht auch Personen, die nicht viel Geld haben, in diese Arbeit einzusteigen. Wir denken hier z.B. auch an Geflüchtete. Es gibt bereits Syrerinnen, die Tagesmütter sind. Viele davon leben eher räumlich beengt und können deshalb keine fremden Kinder in der eigenen Wohnung betreuen. Darum fordern wir zweitens die Stadt auf, nach alternativen Räumen für die Kinderbetreuung durch Tageseltern zu suchen. Drittens wollen wir für jedes betreute Kind einen finanziellen Zuschuss geben, eine Pauschale. Davon versprechen wir uns, dass Tageseltern dabeibleiben und dass sich neue Eltern für diese Arbeit interessieren. Andere Kommunen, wie zum Beispiel Rottenburg, machen das schon. Daher sind wir hier auch ein bisschen unter Zugzwang. Denn derzeit ist es für Tageseltern deutlich lukrativer, Rottenburger Kinder zu betreuen als Kinder aus Tübingen. Eine absurde Situation. Daher bitten wir viertens die Stadt, mit dem Kreis zu verhandeln, um eine einheitliche Lösung für die Bezahlung der Tageseltern herbeizuführen. Insgesamt haben wir für alle diese Maßnahmen 100 000 EUR noch für dieses Jahr eingestellt, 300 000 EUR sollen es dann im nächsten Jahr werden.
Was werden wir sonst noch im Bereich Kinder finanzieren: Wir wissen alle, dass die Schulen seit Corona in großer Not sind. Es gibt sehr viele Kinder mit psychischen Problemen, mit Auffälligkeiten, die weder in den Schulen noch in Beratungseinrichtungen angemessen betreut werden können. Wir sind uns alle einig: Hier müssen wir etwas tun. Aber wo setzt man hier den Hebel an? Darüber gibt es keine Einigkeit, weder zwischen den Tübinger Rektor*innen noch in der AL/Grünen Fraktion. Es gibt sehr viele Ideen:
- Die Aufstockung der Schulsozialarbeit zum Beispiel.
- In anderen Ländern hat man gute Erfahrungen mit Schulgesundheitsfachkräften gemacht.
- Sollen Psycholog*innen Sprechstunden in Schulen abhalten?
- Soll ein Projekt zur Bekämpfung des Schulabsentismus in die Wege geleitet werden?
Schließlich haben wir uns – in Austausch mit den anderen Fraktionen – für eine neue Stelle entschieden, die sich dem Thema Schulabsentismus widmet. Der Landkreis macht hier mit einem Pilotprojekt in den Realschulen und den Gemeinschaftsschulen sehr gute Erfahrungen. Diese wollen wir auf die Gymnasien übertragen. Wir wissen alle, dass das nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Wir warten dringend darauf, dass das Land stärker in das Thema multiprofessionelle Teams an Schulen einsteigt, und erhoffen uns davon einen großen Schritt nach vorne.
Im Bereich Unterstützung für Kinder und Jugendliche, haben wir – wie viele andere Fraktionen auch – vorgeschlagen, die Zuschüsse an die Sportvereine um 20 000 EUR zu erhöhen.
Zur nichtendenden Geschichte Bolzplatz auf dem Herrlesberg. Der Bolzplatz wird ja nicht gebaut. Die Stadt hat daher vorgeschlagen, die ursprünglich dafür vorgesehenen 60 000 EUR auf 40 000 EUR zu kürzen und dieses Geld in andere Freizeiteinrichtungen zu investieren. Der Jugendgemeinderat hat daraufhin beantragt, dass die Stadt diese Kürzungen zurücknimmt und dass der Betrag von 60 000 EUR beibehalten wird. Wir waren eigentlich fest entschlossen, diesen Antrag des Jugendgemeinderates, abzulehnen. Wir haben uns aber von den guten Argumenten in der engagierten Rede des Jugendgemeinderats umstimmen lassen. Für Euch hat es sich also definitiv gelohnt, dass ihr hier so viele Stunden ausgeharrt habt.
Im sozialen Bereich haben wir außerdem gerne dem Zuschuss über 20 000 EUR für die Familienbildungsstätte zugestimmt. Dieser soll vor allem dafür genutzt werden, für Familien mit Migrationsgeschichte niederschwellige Angebote zu schaffen.
Wir haben ebenso der Aufstockung der Geschäftsstelle für den Integrationsrat zugestimmt, der ja in den letzten Jahren immer aktiver geworden ist.
Wir sind bei der Aufstockung der Transberatung sowie von K.I.O.S.K. dabei.
Wir unterstützen gerne die von der SPD vorgeschlagene Entfristung von Stellen im Ausländeramt und in der Beratung für Wohnungslose. Vielen Dank an der Stelle an die anderen Fraktionen, dass sie unseren Antrag – die Stelle im Kontaktladen der Drogenhilfe zu erhöhen – mittragen.
Digitalisierung
Digitalisierung – unser zweites Thema: hier ist es uns gelungen, unsere Ausbildungsoffensive in diesem Bereich mit zwei Ausbildungsstellen zu verstetigen. Wir kommen außerdem mit einer weiteren Stelle dem dringenden Wunsch der Schulen nach einem besser IT-Support nach. Es ist uns leider nicht gelungen, die Gemeinderatskolleg*innen davon zu überzeugen, dass wir dringend eine Person benötigen, die sich mit dem Thema Cybersicherheit beschäftigt. Und zwar bevor es zu spät ist, also, bevor wir gehackt werden. Eine Person, die Pläne entwickelt wie im Ernstfall zu reagieren ist, damit die Verwaltung nach einem solchen Angriff, nicht monatelang lahmgelegt ist, wie es unlängst in Mössingen passiert ist. Wir werden hier aber dranbleiben. Sobald die neue IT-Abteilung sich im Sommer konstituiert hat, bringen wir erneut einen entsprechenden Antrag ein.
Wohnen
Wir haben versucht, uns mit innovativen Ideen dem Thema anzunehmen. Wir wollten zum einen der GWG 3 Millionen EUR aus unserer noch üppigen Rücklage zu günstigen Zinsen leihen. Zum anderen wollten wir der Stadt Mittel zur Verfügung stellen, damit sie Zugang zu den sehr lukrativen Fördertöpfen des Landes für den kommunalen Wohnungsbau erhält. Wir sind dann aber an den gestrengen Worten von Frau Günthner gescheitert. Sie hat uns klar gemacht, dass wir die Rücklage nicht antasten dürfen, weil sie eigentlich nicht mehr da ist. Und, dass, – auch wenn durch die Ausgaben für den kommunalen Wohnungsbau Mieteinnahmen entstehen – diese dennoch unseren Haushalt in Schieflage bringen könnten. Wir haben uns dann auf 1 Million EUR runterhandeln lassen, das entspricht dem Antrag der SPD, die sowohl für die GWG als auch für die Stadt verwendet werden kann. Für letztere in der Hoffnung, dass das Land seinen 45% Zuschuss für den kommunalen Wohnungsbau bald wieder auflegt. 1 Million EUR ist nicht wenig. Wir sind damit zufrieden. Das letzte Jahr hat gezeigt, dass mit diesem Geld sehr gute Projekte, die manchmal ungeplant kommen, realisiert werden können.
Was haben wir noch eingebracht: Erhöhte Zuschüsse über 20 000 EUR für die nette Toilette – das ging zu unserem Erstaunen ohne Diskussion durch. Auch gut.
Vielleicht wundern Sie sich warum wir als AL/Grüne das Thema Klimaschutz nicht besonders mit Anträgen bedacht haben. Wir finden tatsächlich, dass dem Haushalt der Stadtverwaltung hier nicht mehr viel hinzuzufügen ist. Wir haben lediglich kleine Duftmarken gesetzt, wie die finanzielle Absicherung des Haagtorspace. Hier werden über die Sommermonate Parkplätze zu Spielplätzen und Sitzplätzen. Wir haben den Zuschuss für das Umweltzentrum erhöht und wir stimmen weiteren Bügeln für Fahrradabstellplätzen – dem Antrag der Fraktion – gerne zu.
Insgesamt, also im Ergebnishaushalt und im Finanzhaushalt, haben alle Fraktionen gemeinsam 1,5 Millionen EUR draufgesattelt. Braucht es dafür eine Gegenfinanzierung? Einige Parteien haben sich für die Erhöhung der Gewerbesteuer stark gemacht. In Zeiten von hoher Inflation, Unsicherheiten bei den Lieferketten, Personalmangel und hohen Energiepreisen halten wir es nicht für geboten, unsere mittelständischen Unternehmen noch weiter zu belasten. Sollte der Haushalt wirklich nicht genehmigt werden, dann kann es nicht an den 0,4 % liegen, um die wir den Haushalt verschlechtert haben. Dann ist er auch ohne unser Dazutun nicht genehmigungsfähig und die Erhöhung der Gewerbesteuert rettet hier auch nichts mehr.
Zum Abschluss bedanke ich mich herzlich bei meinen Kolleg*innen aus dem Gemeinderat, dem Jugendgemeinderat und dem Integrationsrat für die gute Kooperation während der Verhandlungen. Mein ganz besonderer Dank geht an Asli Kücük, die uns gezeigt hat, wie Moderation geht und die durch ihre respektvolle Art einen wichtigen Beitrag zum guten Ergebnis geleistet hat. Tausend Dank auch an Frau Günthner und Frau Geiss ihr Team für die Bereitschaft, sich hier so intensiv einzubringen. Wir haben es geschafft, auch ohne die Unterstützung von Herrn Schöning. Manchmal haben wir seinen Rat vermisst, präsent war er trotzdem, mir wurde z.B. gesagt: diesen Antrag hätte Euch Herr Schöning um die Ohren gehauen. Hätte er nicht, weil er das nicht nötig hatte, er konnte mit Argumenten überzeugen. Morgen findet die Trauerfeier statt, das wird noch einmal ein wichtiger Moment sein, um ihm für sein großes Engagement für die Stadt zu danken.
In diesem Sinne stimmen wir dem Haushalt zu.
Vielen Dank
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