Zur Resolution „Palmer“ – von Asli Kücük

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Boris Palmer, sehr geehrter Herr Bürgermeister Cord Soehlke, sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Daniela Harsch, sehr geehrte Gemeinderät*innen,

wir, die AL/Grüne-Fraktion haben diese Resolution nicht unterzeichnet und möchten das gerne begründen. Vielen Dank, dass wir den Raum dafür bekommen.

An erster Stelle Herr Oberbürgermeister Boris Palmer wenden wir uns an Sie: Der Satz „Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären“, hätte so nie gesagt werden dürfen, darf so nie gesagt werden und sollte auch in Zukunft nie wieder von jemandem gesagt werden.

Dieser Satz für sich genommen, isoliert betrachtet, steht in krassem Gegensatz zu unseren Grundwerten, der Menschenwürde und dem Recht auf Leben. Und eben das Recht auf Leben begründet nicht einfach nur ein Grundrecht, es ist vielmehr die vitale Voraussetzung aller Grundrechte. Es bildet die Basis der Menschenrechte. Deshalb ist es das elementarste aller grundrechtlichen Schutzgüter. Wir die AL/Grüne-Fraktion lehnen diesen Satz vehement ab.

Im Zusammenhang des gesamten Interviews wird aber deutlich, dass es Ihnen nicht darum ging, alten Menschen medizinische Behandlung zu verweigern oder das Recht auf Leben abzusprechen, sondern dass Sie eine Debatte anstoßen wollten. Eine solche Debatte ist wichtig: wieviel gesundheitliches Risiko will man in zeiten von corona tragen, wieviel Schuldenlast kann man der Jugend des Landes aufbürden, wieviel Stillstand kann unsere Wirtschaft ertragen und mit welchen Folgen. Wir halten eine solche Debatte sehr wohl aus, aber sie darf nicht dazu führen, dass Gruppen – in diesem Fall ältere Menschen – abgewertet werden.

Leider, Herr Oberbürgermeister, ist das nicht Ihre erste verbale Entgleisung. Sie reiht sich in eine Reihe von Äußerungen der letzten Jahre, die immer wieder darauf basieren, dass Gruppen mit bestimmten Merkmalen von Ihnen abgewertet werden. Diese Entgleisungen sind für uns AL/Grüne nicht tragbar und eine sehr große Enttäuschung und Belastung für uns. Diese Äußerungen betonen das Trennende in einer Gesellschaft und nicht das Bindende, sie leisten einer Spaltung Vorschub.

Als Oberbürgermeister ist genau das Gegenteil Ihre Aufgabe Herr Palmer. Schräglagen oder gesellschaftliche Machtverhältnisse zu erkennen und diese auszubalancieren und das Verbindende zu betonen. Auch und insbesondere in Ihrer Wortwahl, wenn Sie kontroverse Themen innerhalb der Gesellschaft diskutieren wollen.

So weit so gut, oder so schlecht. Warum unterschreiben wir die Resolution nicht? Weil sie bewusst mit flachen Unterstellungen arbeitet. Dies ist bei weitem nicht nur die Auffassung unserer Fraktion, sondern das kommt täglich in den vielen Zuschriften, die wir erhalten und auch in einem Großteil der Leserbriefe zum Ausdruck.

Viele ältere Menschen fühlen sich nicht diskriminiert, sondern halten die angestoßene Debatte für wichtig. Sie finden es richtig, dass jemand den Mut hat, auch kritische Themen anzusprechen. Viele Menschen, auch ältere Menschen, empfinden die moralische Überlegenheit, mit der hier diskutiert wird, als schwer zu ertragen und heuchlerisch.

Es wird von vielen Menschen verurteilt, dass Medien „einzelne Sätze rausgreifen“ und dann zusammenhangslos diskutieren. Sie sind der Meinung, dass es nicht Sinn und Zweck der Demokratie sein kann, nur noch abgeschliffen als Politiker*innen zu reden und alles platt gemacht wird und alle gleich reden. Die Hetze und Anfeindungen, die nun gegen den OB, seine Mitarbeiter*innen und seine Familie eingesetzt haben, empfinden sie erschreckend.

So geht es auch uns. Wer – zu Recht – vom OB mehr Empathie und Respekt verlangt, der kann nicht selbst mit falschen Unterstellungen das Feuer am Lodern halten. Dieses Vorgehen lehnen wir entschieden ab. Daher sind wir bei der Resolution nicht dabei.

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