Die Tübinger Müllabfuhr

Erklärung der Vorstände der Grünen Stadtverband und Kreisverband Tübingen und der Alternativen und Grünen Liste Tübingen e.V. zur Tübinger Müllabfuhr 

 

Der Gemeinderat entscheidet vor dem 30. Juni, ob die Stadt Tübingen ab 2025 den Müll weiter durch die eigenen Betriebe abfahren lässt, oder ob er den Auftrag an den Landkreis zurückgibt. Der Weiterbetrieb durch die Stadt Tübingen würde pro Jahr etwa 800.000 Euro mehr kosten als die Stadt vom Landkreis für die Müllabfuhr erhält. Die Stadtverwaltung spricht sich für die Rückgabe an den Landkreis aus, um dieses Geld zu sparen und weil die Stadt ohnehin schon ein Personalproblem hat. Außerdem werde es schwierig, die demnächst ausscheidenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu ersetzen. Der Landkreis würde dann ausschreiben und entsprechend der Vorgaben für öffentliche Aufträge ein Unternehmen beauftragen. Dagegen gab es in den letzten Wochen erhebliche Proteste und der Gemeinderat hat seine Entscheidung auf den letztmöglichen Termin vertagt, bevor sich der Vertrag mit dem Landkreis automatisch verlängert.

Die Grünen Tübingens und die Alternative Liste Tübingen sind der Meinung, dass die Stadt in einer Zwickmühle steckt, die keine wirklich gute Entscheidung erlaubt. Auch innerhalb der Grünen und Alternativen sind die Meinungen zur Frage geteilt. Die Vorstände möchten über die einfache Frage: „Rückgabe der Müllabfuhr an den Landkreis oder nicht?“ hinaus auf größere Zusammenhänge hinweisen. Deswegen stellen wir fest:

  •  Die Grundversorgung der Bevölkerung sollte grundsätzlich in öffentlicher Hand sein. Bei der anstehenden Entscheidung bleibt die Müllabfuhr in öffentlicher Hand, beim Abfallwirtschaftsbetrieb des Landkreises. Dort liegen alle Entscheidungen. Er bedient sich privater Leistungsersteller für das operative Geschäft. Grundsätzlich würden wir es begrüßen, wenn auch das operative Geschäft in der Hand der Stadt Tübingen bliebe.
  • Andererseits gibt es im Kreis keine nennenswerten Klagen über das Einsammeln des Restmülls durch die beauftragte Firma. Es gibt hingegen viele Klagen über das Einsammeln des gelben Sackes durch dieselbe Firma. Das sind aber zwei verschiedene Auftraggeber. Der Kreis sorgt für das verlässliche Einsammeln des Restmülls, indem die Firma für nicht gelleerte Mülltonnen Strafe zahlen muss. Das Duale System, der Auftraggeber bei den gelben Säcken, tut das offensichtlich nicht in gleichem Maße, und so setzt die beauftragte Firma offenbar Personal bevorzugt für die Leerung des Rest- und Biomülls ein, und die gelben Säcke bleiben liegen. Wenn die Stadt die Müllabfuhr an den Kreis zurückgibt, führt dies also wahrscheinlich nicht zu einer schlechteren Versorgung.
  • Wir sorgen uns um die Konditionen, unter denen Mitarbeiter*innen arbeiten, und auch die Gewerkschaften sprechen sich deswegen für eine Fortsetzung der Müllabfuhr durch die Stadt Tübingen aus. Tatsächlich zahlt die Stadt unseren Informationen nach etwas besser als die vom Kreis beauftragte Firma. Laut Landesgesetz sind jedoch auch Privatfirmen gesetzlich dazu verpflichtet, sich an Tarifverträge zu halten, allerdings kann es ein anderer Tarifvertrag sein.
  • Alle Mitarbeitenden haben Arbeitsplatzsicherheit. Ein Teil wird in der Bezahlung sogar hochgestuft. Wenn die Stadt die Müllabfuhr abgibt, setzt sie die Mitarbeiter*innen in Bereichen ein, die derzeit unter Personalmangel leiden, was das Personal erheblich entlasten würde.
  • Mitarbeitende der städtischen Betriebe, z.B. aus der Friedhofsarbeit, die nicht im Müllbereich arbeiten, werden wegen der Unterbesetzung und des hohen Krankenstandes immer wieder für die Müllabfuhr eingesetzt. Nach unseren Informationen ist das dort nicht beliebt. Ein privater Versorger hat als großes Unternehmen mehr Leute und kann Ausfälle besser kompensieren, Tübingen dagegen muss viel Geld ausgeben, um Springer*innen zu bezahlen.
  • Die Stadt bekommt bei einer Verlängerung keine Rechtssicherheit, weder in Bezug auf die städtischen Investitionen noch auf die Gebühren, wenn sie diese anheben wollte. Sie könnte also nicht langfristig planen. Durch Entscheidungen des Landkreises oder aufgrund von Gerichtsverfahren könnte sie den Auftrag verlieren und müsste dann hohe Investitionen (Müllfahrzeuge, Gebäude) abschreiben.
  • Es geht nicht um das Einsammeln des öffentlichen Mülls, also das Leeren der Mülleimer in den Straßen. Das bleibt bei den städtischen Betrieben.
  • Die Grünen und die Alternative Liste stehen für das Verursacherprinzip. Beim Müll aber wird quer subventioniert. Die Stadt subventioniert die anfallenden Kosten der Müllabfuhr, die eigentlich von den Privathaushalten gezahlt werden sollten.
  • Derzeit gilt für alle Haushalte im Kreis die gleiche Gebührenordnung. Es gibt Stimmen, die sagen, Tübingen trage dazu bei, dass die Haushalte im Landkreis weniger Müllgebühren zahlen, weil die Stadt Teile der Kosten übernimmt, die sonst auf alle Haushalte im Kreis umgelegt werden müssten. Andere Stimmen weisen darauf hin, dass die Vergütung an die Stadt über dem liegt, was der Kreis außerhalb der Stadt zahlt und die Haushalte im Landkreis (in überschaubarem Umfang) die Tübinger Müllabfuhr mitfinanzieren. Wir können das nicht beurteilen.
  • Die Stadt verliert in dieser Diskussion zweimal: Sie wird kritisiert für die Privatisierung, die eigentlich der Landkreis macht, und sie hat erhöhte Kosten.
  • Die Landkreise Tübingen und Reutlingen haben den “Zweckverband Abfall Tübingen-Reutlingen“ gegründet, der den eingesammelten Restmüll im Wesentlichen in die Müllverbrennung gibt. Es gibt Angebote, Müll zu trennen und gesondert abholen zu lassen, sowie eine Gebührenordnung, die zum Abfall sparen anregt. Aber sonst sind keine besonderen Anstrengungen erkennbar, Müll zu vermeiden und dafür zu sorgen, dass die Stoffe recycelt statt „thermisch verwertet“ werden. Dass die Stadt den Müll durch eigene Betriebe abholen lässt, trägt nicht zum Schutz der Umwelt bei.
  • Wir sind der Meinung, dass städtische Mittel, wenn wir die Wahl haben, vorrangig für ökologische und soziale Zwecke ausgegeben werden sollten. Während die Mitarbeitenden abgesichert sind, gibt es viele ökologische und soziale Themen, in denen die Stadt etwas bewirken kann. Tübingen hat immer wieder gezeigt, dass es neue, zukunftsweisende Lösungen voranbringen kann. Dafür sollte es sein Geld einsetzen, auch beim Abfall.

Die Vorstände der Grünen Tübingens und der Alternativen Liste sprechen sich daher für Folgendes aus:

  1. Der Landkreis Tübingen sollte mit dem Zweckverband Abfall Tübingen-Reutlingen Wege finden, die Wiederverwendung des Abfalls zu stärken und weniger „thermisch zu verwerten“, also zur Energiegewinnung zu verbrennen.
  2. Wenn der Gemeinderat entscheidet, die Müllabfuhr an den Landkreis zurückzugeben, sollte die Stadt Tübingen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besonders für Biodiversität, Anpassung an den Klimawandel und soziale Zwecke einsetzen.
  3. Die Stadt Tübingen sollte sich intensiv für Abfallvermeidung und -verwertung einsetzen. Die Verpackungssteuer ist ein hervorragendes Beispiel dafür, was die Stadt erreichen kann.
  4. Das Land Baden-Württemberg sollte das Landeskreislaufwirtschaftsgesetz im Sinne der Subsidiarität so ändern, dass Gemeinden die Möglichkeit bekommen, die volle Verantwortung für das Abfallmanagement einschließlich der Gebührenerhebung an sich zu ziehen, um innovative Ansätze der Abfallvermeidung und -wiederverwendung umsetzen zu können.

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