Grund- und Gewerbesteuer

von Swantje Ude-Sailer im Gemeinderat

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Palmer,
sehr geehrter Herr erster Bürgermeister Soehlke,
sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Dr. Schäfer-Vogel
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderats,
Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Presse, sehr geehrte Gäste,

zuerst möchten wir uns wieder bei dem Team um Frau Günthner und Frau Stegmüller bedanken, die alle unsere Fragen beantwortet haben, die erklärende Tabellen erstellt und Beispiele durchgerechnet haben und das immer freundlich und geduldig. Vielen Dank!

Es waren keine interfraktionellen Gespräche wie im Dezember, bei denen man sich von Posten zu Posten durchhangelte und kritische Punkte „in die Reserve“ nehmen konnte. Damals hatten wir bei jeder Kürzung Bedenken, ja, aber wir konnten gemeinsam 12 Millionen Euro einsparen.  

Obwohl die Kürzungen schmerzten, denn wir stellten damit unsere erfolgreiche Arbeit der letzten Jahre in Frage, waren wir doch der Meinung, so weit wie möglich sozialverträglich gehandelt zu haben ohne die Klimaneutralität Tübingens 2030 aus dem Blick zu verlieren. Es war ein produktives Miteinander zum Wohle der Stadt. Denn auch zu jenem Zeitpunkt stand fest, dass wir das Zepter in jedem Fall in der Hand behalten und nicht  dem RP überlassen wollten.

Das ist nun ein halbes Jahr her und sowohl die Stimmung als auch die Situation hat sich geändert.

Es sind nicht mehr nur die erhöhten Personalkosten, die gestiegenen Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen sowie die gestiegene Kreisumlage, sondern nun kommen die Einbrüche der Gewerbesteuer schneller als gedacht. 7,6 Millionen Euro, die es noch in diesem Jahr zu sparen gilt. Es bringt nichts, einfach ein Bauprojekt zu stoppen und geflickt ist das Loch. Denn es muss sich um Einsparungen handeln, die in diesem Jahr also 2025 wirksam werden. Der Ergebnishaushalt ist im Augenblick wichtig, nicht der Investitionshaushalt, auch wenn hier mittel- bis langfristig Einsparungen erforderlich sein werden. Auch Personalabbau ist kurzfristig keine Lösung, denn bestehende Verträge müssen eingehalten werden und außerdem ist es uns wichtig den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen der Stadt nicht zu kündigen.

Auf eine Wiederbesetzungssperre haben wir uns schon geeinigt, aber sie wird kurzfristig auch keine Wirkung zeigen. Andere im Gremium waren hier nicht so zimperlich und hätten gerne Personal entlassen.  Selbst wenn man kostenlosen Samstagsbus abschafft, so würde das für dieses Jahr nur noch rund 100 Tausend Euro in die Kasse spülen. Auch die Reduzierung des Zuschusses für das Deutschlandticket bringt nicht die gewünschte Sparsumme von rund 7,6 Millionen Euro. Wir konnten uns aber darauf einigen, dass der Zuschuss, der von Januar 2026 an von 13 auf 9 Euro reduziert werden sollte, nun schon ab Oktober dieses Jahres gilt. Wir wollen die Bezuschussung so lange wie möglich halten, denn für uns ist die Mobilitätswende ein zentraler Beitrag zur Erreichung der gesteckten Klimaziele.

In dieser finanziellen Notlage haben Kommunen nicht viel Handlungsspielraum: Es gibt eben nur die Gewerbesteuer und die Grundsteuer. Ja, wir wollten die Grundsteuer aufkommensneutral gestalten, aber was sollen wir sagen? Es geht einfach nicht anders! Wo sollen wir denn noch sparen? Bei den Vereinen? Bei der Kultur? Im sozialen Bereich? Bei allem, was Tübingen so lebens- und liebenswert macht?  Die CDU wäre hier gleich dabei. Den Rotstift radikal ansetzen, freiwillige Leistungen einfach kürzen, die vielen Menschen das Leben erleichtern und unsere Stadt bereichern. Ist ihnen eigentlich nicht klar, dass sie damit die Stimmung in der Stadt verschlechtern, dass Menschen die Politik immer weniger verstehen und dass es dann auch bei uns in der Stadt die AfD geben wird? Oder ist diese Vorstellung vielleicht gar nicht so schlimm? Sie muss sich schon fragen, was sie für Tübingen mittelfristig anstrebt. 

Uns erreichen gerade täglich böse Emails von Menschen, die mehr Grundsteuer B bezahlen müssen. Das sind die Menschen, die  ihrem Ärger lauthals Luft machen. Viele Menschen profitieren von der Grundsteueränderung – sie melden sich natürlich nicht. Sollten sie aber vielleicht mal tun. Ja, viele Hauseigentümer und Eigentümerinnen werden mehr bezahlen, aber sie vergessen, dass sie jahrelang sehr wenig gezahlt haben. Frischluftschneisen auf bebaubaren Grundstücken (Also Grundsteuer C) – das ist gerade ein beliebtes Argument in den Briefen, die uns erreichen. Klar, jetzt plötzlich denkt man daran, aber wenn man es den Enkeln vermachen will, ist die frische Luft schnell vergessen. Wir setzen auf Innennachverdichtung und es ist ja jedem Bauenden freigestellt, sein neues Haus entsprechend nachhaltig und zukunftweisend zu gestalten.

Geht man gedanklich durch unsere Stadt Tübingen, dann sieht man sanierte Schulen und renovierte öffentliche Gebäude. Es gibt zig Projekte, die von der Stadt gefördert und bezuschusst werden und die das Stadtleben bereichern. Wir haben an die 20 Stadtteiltreffs und eine lebendige Kulturszene. In unserer Innenstadt sind vergleichsweise viele Läden. In unserer Stadt gibt es die verschiedensten Anlaufstellen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Unsere Spielplätze sind legendär, unsere Stadtbücherei sagenhaft. Das geht alles auf die Arbeit der letzten Jahre zurück. Wir haben unsere Stadt in vielen Punkten auf Vordermann gebracht.

Es geht uns hier so unendlich gut! In den guten Zeiten haben sich die konservativen Fraktionen zur Politik Tübingens bekannt und nun sind sie die ersten, die alles anders gemacht hätten und anscheinend von vorneherein wussten, dass alles so enden würde.

Nun werden wir also die Steuern erhöhen. Wir sind uns bewusst, dass dies eine Mehrbelastung für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet und es ist uns wahrlich nicht leicht gefallen.  Wir sehen aber in der momentanen Situation keine Alternative.

Es waren keine einfachen Verhandlungen. Sie waren zäh und nun ist eigentlich auch keine Fraktion wirklich zufrieden. Die Bauchschmerzen vom Januar haben sich zu Pest und Cholera ausgeweitet. Die Fraktionen, die aber heute dem Vorschlag zustimmen und sich bewegen, bewiesen, dass ihnen wirklich das Wohl der Stadt am Herzen liegt.

Wir brauchen hier keine Diskussion über die ungerechte Vermögensverteilung. Wir brauchen nicht darüber zu schimpfen, dass der Bund immer mehr Kosten auf das Land und die wiederum auf die Kommunen abwälzen. Wir brauchen nicht darüber zu sprechen, dass der Bund in der Verantwortung ist, die Kommunen finanziell mehr zu unterstützen. Da sind wir uns einig und ich bin wirklich gespannt, wie jetzt die neue Koalition die Probleme lösen wird. Ja, Steuererleichterungen für Unternehmen und die dadurch entstandenen Ausfälle zahlt der Bund den Kommunen – äh, dann haben wir doch nicht mehr in der Stadtkasse.

Hier wird etwas geschehen müssen, denn der Bund lässt die Kommunen langsam, aber sicher ausbluten.

Ein Hebesatz von 435 bei der Gewerbesteuer? Von der Idee her gut, aber in umliegenden Kommunen ist der Hebesatz eben nur bei 400 oder noch geringer. Es könnten dann Firmen abwandern. Die Grundsteuer bei 300 belassen?  Wie kriegen wir dann bitte das fehlende Geld zusammen?

Wir sind kompromissbereit.  Wir schlagen daher eine Erhöhung der Gewerbesteuer um 15 Punkte vor und eine Reduzierung der Grundsteuer von den empfohlenen 360 Punkten auf 350.

Hätte ich gestern Nacht noch Zeit gehabt und wäre ich nicht voll berufstätig, dann hätte ich nach dem gestrigen Debakel den Ton meiner Rede noch verschärft. Es ist einfach unfassbar, dass einzelen Fraktionen sich in diesen schwierigen Zeiten abseilen, um dann ihren Wählern sagen zu können, also sie mit den Erhöhungen nichts zu tun haben, sondern wenn sie auch Verantwortung für die Stadt übernommen hätten.

Aber so ist es leider nicht gekommen, daher bleibt der AL/Grünen Fraktion nichts andere übrig als über ihren Schatten zu springen. Denn wir sehen es als unsere Aufgabe, Verantwortung für die Stadt zu übernehmen und dazu gehört es eben auch dazu beizutragen, ein genehmigunsgfähigen HH zu ermöglichen.

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