von Annette Schmidt
Vorweg will ich sagen, dass wir den partizipativen Planungsprozess absolut vorbildlich finden. Es wurde so ziemlich alles an partizipativen Instrumente angewandt, was man sich nur vorstellen konnte: Online-Formate, thematische Veranstaltungen, Treffen mit bestimmten Interessensgruppen, Spaziergänge – ein besonderes Highlight war sicherlich der Nachtspaziergang incl. teilnehmender Beobachtung, d.h. dem Besuch eines Clubs, es gab Infostände in der Fußgängerzone, wo man sich von sehr netten und kompetenten MitarbeiterInnen der Stadtverwaltung das neue Konzept erklären lassen konnte, niedrigschwelliger geht es nicht mehr.
Dafür und überhaupt für die gesamte Arbeit möchten wir uns bei Frau Landwehr und ihrem Team ganz herzlich bedanken. Das war ein langer Weg und ein großes Stück Arbeit, das Ergebnis kann sich sehen lassen.
So viel vorweg.
Und nun zum Status Quo in der Altstadt.
Bis vor ca. 1 Jahr konnten wir in Tübingen immer noch sagen, ja die Situation ist im Einzelhandel ist angespannt, aber wir haben nicht mehr Leerstand als in den Jahren zuvor.
Seit ca. 1 Jahr gilt das nicht mehr, der Leerstand beschleunigt sich eindeutig, es gibt jeden Monat mehr Leerstand und es ist abzusehen, dass hier erst mal nichts Neues nachkommt, oder nur Dinge nachkommen, die wir nicht haben wollen, wie z.B. Automatengeschäfte. Wir finden die Situation wirklich bedrückend und wir machen uns große Sorgen, wie es weitergeht mit unserer Altstadt.
Die Gründe für den Leerstand sind vielfältig, der wachsende Onlinehandel. Es gibt Schwierigkeiten bei der Geschäftsnachfolge, zu kleine Ladenflächen, von denen man eben einfach nicht leben kann, etc.
Wir müssen uns also Gedanken darüber machen, wie es hier weitergeht und das ist mit dem Rahmenplan in sehr differenzierter Art und Weise geschehen. Wir sind froh, dass wir den Bebauungsplan nicht angerührt haben, denn wir sind davon überzeugt, dass er mit seinen Regelungen für die Nutzungsmischung, für die Regelungen im Erdgeschoss und für Wohnen auch heute noch die richtige Antwort gibt. Herr Feldkeller hat uns hier ein gutes Werk hinterlassen.
Aber es braucht auch Änderungen. Die neue Zulassungspraxis für Mischbetriebe und Gastronomie, also etwas mehr Bestuhlung im Innenraum, etwas mehr Bestuhlung außen, zwei oder drei weitere gastronomische Betriebe, finden wir richtig. Aber man darf aus unserer Sicht dem Bedürfnis nach Gastronomie auch nicht zu sehr nachgeben, denn die Gastronomie kann höhere Mieten zahlen, kann den Handel verdrängen und ohne Handel ist dann die Altstadt auch nicht mehr interessant.
Die Altstadt ist auch bei Nacht ein wunderschöner Ort, wenn man da so nachts durch die Straßen schlendert und überall sitzen Leute draußen, dann ist das einfach wahnsinnig schön. Das Zusammenleben funktioniert aber nur, wenn sich die Kneipen und Clubs an die Regeln halten, was sie normalerweise auch tun. Natürlich gibt es trotzdem Menschen, die nachts stören, das wird man vermutlich nie ganz in den Griff bekommen. Damit muss man leben, dafür hat man viele Vorzüge, wenn man in einer so schönen Stadt lebt. Und das sag ich als Altstadtbewohnerin, die eben genau diese Kehrseiten des Nachtlebens in der Altstadt kennt.
Wichtig ist es auch, mehr konsumfreie Begegnungsorte zu schaffen, wie z.B. den Haagtorspace. Dieser sollte verstetigt werden und wenn es nach uns geht auch ausgedehnt werden. Kulturelle Einrichtungen müssen gefördert werden ebenso wie Dritte Orte.
Wohnen in der Altstadt muss weiterhin möglich sein. Wir sehen allerdings, dass Familien zunehmend aus der Altstadt rausziehen und Studierenden das Feld überlassen. Mit WGs kann man bekanntlich höhere Mieten erzielen, sie brauchen üblicherweise keine barrierefreien Zugänge und WGs sind auch weniger lärmempfindlich. Der Nachteil ist, dass Menschen, die nur für ein paar Semester in der Stadt bleiben, sich häufig nicht so für ihre Stadt engagieren. Die Altstadt sollte daher auch ein Platz bleiben, wo Kinder aufwachsen können und wo ältere Menschen auch zurechtkommen.
Der Hitzeschutz muss gewährleistet sein.
Wir finden das Handlungsprogramm sehr gut und schätzen auch die innovativen Maßnahmen, die die Stadtverwaltung bereits initiiert hat, genauso wie die Idee der Quick Wins. Eigentlich könnten wir uns jetzt an die beschleunigte Umsetzung machen, wie bescheuert, dass wir jetzt kein Geld mehr haben. Trotzdem sollten wir über den Antrag auf Städtebauförderung nachdenken. Und es gibt trotzdem noch eine Menge Dinge, die wir anpacken können. Z.B. haben wir uns vor 1,5 Jahren mit ca. 25 Personen am Kelternplatz getroffen und über die Aufwertung des Platzes gesprochen. Es war damals allen einsichtig, dass die Glascontainer dort wegmüssen und sie sind immer noch da, genauso wie die kaputten Bänke um die Bäume herum. Also die Umsetzung kann aus unserer Sicht noch deutlich beschleunigt werden.
Das Handlungsprogramm genauso wie den Rahmenplan verstehen wir eine Vorgabe, die nicht in Stein gemeißelt ist, sondern immer wieder überarbeitet werden sollte.
Der Schutz der Altstadt und die Weiterentwicklung ist natürlich nicht nur eine Aufgabe der Stadtverwaltung, sondern wir alle sind hier gefragt. Wir müssen in der Altstadt einkaufen und nicht online kaufen, und die VermieterInnen sollten sich Gedanken darüber machen, ob es sie wirklich glücklich macht, wenn sie die Mietschraube immer höher drehen, Gewerbemieten von 50 EUR pro Quadratmeter verlangen, die dazu führen, dass selbst gutgehende Läden oder Restaurants aufgeben müssen. Alle tragen hier Verantwortung und der müssen auch dieHauseigentümerInnen gerecht werden.
Wir stimmen zu.
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