Erklärung der Fraktion zur Verlängerung der Option für ein Grundstück zur Nutzung von „Amazon“
„Amazon Ante Portas“ lautete ein Artikel unserer Fraktion, veröffentlicht im Schwäbischen Tagblatt am 27.Dezember 2017. Dort verlangten wir eine transparente offene Diskussion bevor Entscheidungen fallen. Dies ist, so müssen wir heute feststellen, nicht in ausreichendem Maße erfolgt. Wir haben das kommen sehen, dass sich in Tübingen berechtigt Widerstand gegen eine Firma mit dermaßen schlechtem Image formieren wird.Dass unsere Verwaltung in Begleitung des Gestaltungsbeirat was das geplante Gebäude angeht gut verhandelt hat, könnten wir sehen. Vielen Dank dafür. Darum geht es heute nur am Rande.
Heute wird mit der Optionsverlängerung nicht entschieden, ob Amazon oder eine beauftrage Firma das Grundstück von der Stadt erwerben kann, oder nicht. Es wird die Möglichkeit, dass dies geschieht, verlängert. Diese Zeit sollte vom Gemeinderat politisch klug genutzt werden, um zum Beispiel die berechtigten Sorgen darüber, über was im Cyber Valley geforscht wird und über was nicht und was mit den Forschungsergebnissen passiert, zu minimieren. So lange sowohl das MPI, die Mitwirkenden am Cyber Valley als auch Amazon ein gemeinsames Interesse daran haben, dass die Stadt ein Grundstück zur Nutzung durch den Konzern verkauft, nimmt sich der Gemeinderat die Freiheit und stellt Forderungen, die zugegebener Maßen nicht im direkten Zusammenhang stehen, der Stadtgesellschaft aber auf den Nägeln brennen. Politisch ist das legitim, wie ich meine durchaus eine Sternstunde des Gemeinderats und ich möchte mich bei allen, besonders bei Dietmar Schöning bedanken, die diesen Gedanken des ursprünglichen Antrags der Fraktion AL/Grüne aufgenommen haben und der jetzt in der gemeinsamen interfraktionellen Erklärung mündet.
Dort heißt es wörtlich: „Der Gemeinderat der Universitätsstadt Tübingen begrüßt die Absucht der Universität und des Max-Planck-Instituts für intelligente Systeme, im Dialog mit der Zivilgesellschaft und weiteren Akteuren aus dem Bereich der Ethik ein ethisches Leitbild zu entwickeln. Er nimmt zur Kenntnis, dass hierzu bereits Gespräche zwischen Universität, MPI IS und dem Land sowie den weiteren Cyber Valley- Partnern geführt werden. Ziel muss eine überprüfbare Selbstverpflichtung sein, woran und mit welchem Ziel im Cyber Valley geforscht wird und woran nicht. Nähere Informationen erwarten wir von dem mit dem MPI vereinbarten Gesprächstermin am 30. Januar 2019.“
Amazon-Erklaerung2018_409c von AL/Grüne, CDU, SPD, FDP und Tübinger Liste
Soweit der Text der Erklärung von 5 Fraktionen des Gemeinderats. Jetzt ist bis zum eigentlichen Verkauf des Grundstücks im Herbst 2019 ausreichend Zeit, damit unter Einbezug unserer in Tübingen besonders gut ausgeprägten Ethik-Wissenschaften ein Ethik-Codex entwickelt werden kann für die KI-Forschung und den Verbund am Cyber Valley. Durch inzwischen anberaumte Termine und öffentliche Erklärungen haben wir von AL/Grüne den Eindruck, man habe bei den Protagonisten inzwischen „den Schuss gehört“ womöglich nicht zuletzt durch die andauernde Besetzung des Kupferbaus. Sollte bis zum Herbst nichts Habhaftes vorliegen, werde ich meiner Fraktion insgesamt die Ablehnung des Verkaufs des Grundstücks zur Nutzung durch Amazon vorschlagen.
Ethikfachleute wie der Direktor des Weltethos-Instituts oder ein leitender Dozent des Instituts für Ethik in den Wissenschaften an der Universität Tübingen machten uns bei gemeinsamen Sitzungen Mut, dass von Tübingen eine positive Wirkung auf das Gebaren von Konzernen wie Amazon ausgehen könnte. Bei Google sei dies in Ansätzen mit 7 Grundsätzen zur Ethik anderweitig gelungen. Das Klonen von Menschen, wie der EKD-Ratsvorsitzende Bedford – Strohm bei seiner Weltethos-Rede neulich anführte, wurde erfolgreich ethisch eingedämmt. Man kann also was bewirken, auch gegenüber multinational aufgestellten Konzernen. Zur Klarstellung: Unabhängig vom Abstimmungsverhalten der Mitglieder der Fraktion AL/Grüne stehen wir hinter der gemeinsamen, nun interfraktionellen Erklärung. Für diejenigen, die gegen die Optionsverlängerung für das Grundstück votieren ist die Erklärung dann eben der „Plan B“.
Die Fraktion AL/Grüne sieht die Notwendigkeit einer eigenen, Europäischen Forschung zur sogenannten Künstlichen Intelligenz. Maschinelles Lernen bleibt von Menschen programmiert und muss sich an ethische Grundregeln halten.
Die Chancen, mittels KI bessere Möglichkeiten zur Bewältigung drängender Probleme der Menschheit zu finden, wie es Prof. Luxburg vorgestern im Kupferbau skizziert hat, können nicht allein durch US-Amerikanische oder chinesische Lizenzprodukte bei uns gewahrt werden. Individualisierte Medizin, effizientere Nutzung von Ressourcen, verbesserte Sicherheit bei der Steuerung von Fahrzeugen usw. usw.
Und wir stehen beim Ersatz von vielen Arbeitsplätzen durch die Dämmerung bei der Autoindustrie und dem Verbrennungsmotor vor großen Herausforderungen, die unser soziales Zusammenleben bedrohen könnten. Uns wurde auch erläutert durch einen durchaus maßgeblichen Forscher in unseren Reihen, Player wie Google, Amazon etc. seien wichtig, um Spitzenforscherinnen und Doktorandinnen ein attraktives Umfeld zu bieten. Sonst kämen die nicht. So weit, so schlecht.
Andererseits sind Firmen wie Amazon denkbar schlecht beleumundet, wie verschiedene im Fernsehen ausgestrahlte Dokumentationen zeigen. Im krassen Widerspruch dazu steht allerdings die einfache Beobachtung bei der monatlichen Altpapiersammlung in ganz Tübingen, wie dort inzwischen Amazon-Kartons dominieren.
Wir hoffen, daß von Tübingen für die Ethikdebatte in Wissenschaft und Wirtschaft im Zusammenhang mit der Diskussion zu Ki, Cyber Valley und Amazon wegweisende Impulse ausgehen die über den Tag hinaus Wirkungen entfalten, die Menschen vor negativen Begleiterscheinungen der KI schützen helfen. Von wo soll das sonst ausgehen, wenn nicht von dieser Stadt.
Für ethische Grundsätz bei der KI erreicht mich soeben eine Nachricht eines Mitarbeiters der Wissenschaftsministerin Theresia Bauer, dass Tübingen bereits wesentlich dise Debatte angestoßen hat. Die Sensibilisierung für derlei Themen ist bereits jetzt gelungen. Eine Lehre daraus, und damit komme ich an den Beginn meines Beitrags zurück: Nur mit absoluter Transparenz lassen sich derlei Projekte aufs Gleis bringen. Das haben wir von der Fraktion AL/Grüne so kommen sehen. Zumal in einer Stadt mit einer dermaßen interessierten und wachen Bürgerschaft, wie in Tübingen.
Christoph Joachim, Fraktion AL/Grüne 20. Dezember 2018 im Gemeinderat Tübingen
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